Nachtsucht UBWG Mix 147 & Interview (Bild via Maximilian Holzenburg)

Nachtsucht – Mix 154 & Interview


Nachtsucht zeigt sich für den UBWG Mix #154 verantwortlich – und dieser hat es in sich: Sounds, die energetisch und kreativ sind und zwischen roher Energie und hypnotischer Tiefe pendeln. Der DJ und Produzent aus Basel beeindruckt mit einem ausgeklügelten künstlerischen Ansatz und hat sich mit uns im Interview über seine Inspirationsquellen, die Kraft der Nacht und kreative Freiheit unterhalten.

Tiago de Castilho alias Nachtsucht ist ein vielseitig engagierter DJ und Produzent aus Basel. Mit seinen kompromisslosen und ausgefeilten Sets und einem Sound, der zwischen roher Energie, dystopischer Ästhetik und hypnotischer Tiefe oszilliert, hat sich der junge Artist in kurzer Zeit einen festen Platz in der hiesigen Techno-Szene erspielt. Nachtsucht bewegt sich gekonnt in den Gefilden von Industrial- und Atmospheric-Techno und hat sich seinen ganz eigenen musikalischen Kosmos geschaffen.

Der UBWG-Mix #154*, den Nachtsucht exklusiv für uns aufgenommen hat, bringt des Künstlers Stil gekonnt auf den Punkt: intensiv, mitreissend und charismatisch. Im begleitenden Interview sprachen wir mit dem Artist zudem über seinen künstlerischen Ansatz, kreative Freiheit und die Notwendigkeit, sich musikalisch abseits des Mainstreams zu positionieren. Viel Vergnügen beim Hören und Lesen!

*Die Tracklist findest du in Kürze am Ende dieses Beitrags


Nachtsucht auf Soundcloud I Nachtsucht auf Instagram


Tiago, magst du uns etwas mehr über deinen UBWG-Mix erzählen? Umstände und Feelings, die den Mix geprägt haben? Was hat dich inspiriert und wo wurde der Mix aufgenommen?

Nachtsucht: Der Mix entstand aus dem Wunsch, rohe Energie auf eine kontrollierte Weise hörbar zu machen. Ich habe viel mit Distortion gearbeitet, um den Sound an seine Grenzen zu bringen, aber dennoch dynamisch und organisch zu halten. Aufgenommen habe ich den Mix zuhause auf meinem Setup – in einer Umgebung, in der ich komplett frei arbeiten kann. Es ging am Ende für mich darum, die Intensität spürbar zu machen und meine aktuellen Gefühle auszudrücken, ohne sie verbal erklären zu müssen.

Der Mix entstand aus dem Wunsch, rohe Energie auf eine kontrollierte Weise hörbar zu machen.

Nachtsucht über den UBWG Mix #154
Was war dein erster Berührungspunkt mit elektronischer Musik? Erinnerst du dich an einen besonderen Moment oder an einen Track?

Nachtsucht: Mein Cousin hatte im Keller seiner Eltern ein DJ-Setup – dort hat er ständig Deep-House gespielt. Ich war oft dabei, sass einfach am Boden und habe ihm zugehört. Ich hatte keine Ahnung von Genres oder Musik, aber ich habe gespürt, dass diese Musik anders ist. Es hat mich bewegt. Zu diesem Zeitpunkt war ich ungefähr 10 Jahre alt. Mit der Zeit haben sich Faszination und Interesse weiterentwickelt – die Musik wurde dunkler, intensiver, härter. Zu Beginn waren dies Genres wie Dubstep und EBM, später bewegte sich das Ganze immer mehr in Richtung Techno. Ich konnte mich schon immer mit Musik mit industriellem Charakter identifizieren, dies prägt auch meinen heutigen Sound. Insbesondere der Zustand, der die elektronische Musik in mir ausgelöst hat, hat mich geprägt. Mein Antrieb heute ist es, genau diese Inspiration für andere zu sein.


Wie kam es zu deinem Artist-Name Nachtsucht – was bedeutet der Name für dich?

Nachtsucht: Der Name war keine Idee, sondern eher eine Beobachtung – ich habe mich schon immer in der Nacht wohler gefühlt. Ich erinnere mich noch daran, als Kleinkind mit Absicht abends geweint zu haben, um etwas länger aufbleiben zu dürfen. Dieses Gefühl hat sich nie verändert, auch heute finde ich meinen Fokus und meine Kreativität meistens nachts. Nachtsucht steht für diese Verbindung.

Dein Sound ist geprägt von dunklen, emotionalen und charakterstarken Klangstrukturen – kannst du uns etwas mehr über deinen Stil und der deinem Stil zugrundeliegenden Inspiration erzählen?

Nachtsucht: Ich würde meinen Sound vor allem als puristisch definieren – er ist roh, ungefiltert, wiederholend auf eine hypnotische Art, jedoch gleichzeitig driving, dynamisch, dystopisch und atmosphärisch. Mich interessieren vor allem ungewöhnliche Klangstrukturen und Rhythmen, die Spannung halten und Emotionen auslösen. Gleichzeitig will ich einen Zustand von Trance erzeugen. Ich mag keine vorhersehbaren Sounds. Mit meinen Sets erzähle ich gerne eine Geschichte. Ich mag das, was sich langsam aufbaut und einen roten Faden hat. Das Auflegen sehe ich nicht als klassische Performance oder als
Entertainment, sondern eher als Ausdruck von mir selbst. Als ich angefangen habe mit dem DJing, habe ich sehr hart gespielt (157 BPM, Industrial Hardtechno), jedoch hat mir dieser Stil nicht erlaubt, mich vollständig kreativ auszudrücken, da er meines Erachtens sehr maximalistisch und oft konstant aggressiv ist – was mir auch das Mixen mit mehreren Tracks, ebenso wie das Storytelling sehr erschwert hat. Ebenfalls hatte ich damals das Gefühl, mich immer der Crowd anpassen zu müssen, damit das Set Gefallen findet, dabei habe ich mich jedoch kreativ extrem einschränken lassen.

Nachtsucht zeigt sich für den UBWG Mix #154 verantwortlich und hat mit uns im Interview über seinen künstlerischen Werdegang gesprochen (Bild via Maximilian Holzenburg)


Heute spiele ich nach dem Motto, dass ich das spiele, was ich gerne auf dem Floor hören würde. Wenn es dir gefällt, freut mich das sehr! Wenn nicht, dann ist das auch absolut in Ordnung. Meine grössten Inspirationen sind die alten Sets von Artists wie Paula Temple, SNTS, Ansome & Ayarcana. Vor allem der Track Ego Death von
SNTS hat mich sehr bewegt. Labels wie Sacred Court, Crisis Of Man, Noise Manifesto, Audio Assault oder MORD haben mich ebenfalls sehr geprägt. Viele Artists, die mich nachhaltig inspiriert haben, spielen heute nicht mehr den Sound, der mich damals geprägt hat – oder haben ganz aufgehört. Das hat bei mir eine Lücke hinterlassen. Diese Lücke, zusammen mit einem steigenden Mangel an musikalischer Diversität auf den grossen Bühnen, hat mich angetrieben, etwas Eigenes zu erschaffen. Ich hatte schon immer das Bedürfnis musikalisch etwas zu machen, was man nicht oft hört. Mein jetziger Sound ist das Ergebnis davon: Er bewegt sich bewusst abseits vom Mainstream, ist roh und klar in seiner Haltung

Wie gehst du an das Produzieren eines Tracks heran – was steht bei dir am Anfang: das Konzept, ein bestimmter Sound oder eher ein Gefühl?

Nachtsucht: Meistens experimentiere ich einfach drauf los. Ich arbeite gerne mit meiner Hardware. Dabei entstehen Ideen, die ich dann weiterführe. Ich lasse Klänge entstehen, ohne sofort zu wissen, wohin sie führen. Ich mag die on hand-Kontrolle, die mir die Hardware gibt, denn für mich ist das viel intuitiver als nur mit Maus und Tastatur zu arbeiten. Dennoch mag ich es, wenn am Ende ein roter Faden erkennbar ist. Gerade bei EPs arbeite ich oft mit einem Konzept, das eine Geschichte erzählt oder einen bestimmten Zustand transportiert. So können die Tracks für sich funktionieren und dennoch zusammen eine Geschichte bilden.

Ich lasse Klänge entstehen, ohne sofort zu wissen, wohin sie führen.

Nachtsucht über seine Herangehensweise beim Produzieren
Was steht bei dir als Nächstes an? Releases, neue Projekte, Gigs, auf welche du dich besonders freust?

Nachtsucht: Gerade stehen einige wichtige Momente für mich an. Am 31. Oktober 2025 spiele ich im D-Club in Lausanne mit SNTS auf dem Line-Up, einer meiner grössten Inspirationen – wie bereits erwähnt. Ein Gig, auf den ich mich ganz besonders freue. Ausserdem steht eine Collab-EP mit AVCI aus England kurz vor dem
Release und einer meiner Tracks erscheint im November auf eine VA für NoWar-Records. Ein weiteres Highlight: Am 8. November 2025 spiele ich zusammen mit LUCIID aus Irland ein B2B auf dem Sonic Festival, dem grössten Indoor Festival der Schweiz. Für mich ist das ein Traum, denn solche Momente zeigen, dass auch nischige Musik auf den grossen Floors ihre Wucht entfalten kann. Es fühlt sich an, als ob jetzt eine neue Phase beginnt, in der sich mein Sound und dessen Message noch stärker verdichten.

Im Interview für UBWG: Die Redaktion


Tracklist Mix #154
Die Tracklist wird hier in Kürze bekanntgegeben.


Quellen: Nachtsucht (Bilder im Beitrag via Maximilian Holzenburg)