Als Ende Januar 2006 die allererste Party im Hive stattfand, ahnte noch niemand, wohin die Reise des Zürcher Clubs führen würde. Zehn Jahre später gilt der «nachtaktive Bienenstock» als feste Institution im Bereich der elektronischen Musik und geniesst einen hervorragenden Ruf weit über die Landesgrenzen hinaus.
Wir hatten das Vergnügen mit Anatol Gschwind und Nicola Schneider, zwei der vier Betreiber vom Hive, über ihren Club zu plaudern.
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Nächstes Wochenende feiert das «Hive» sein 10 jähriges Jubiläum. Was fühlt ihr dabei und auf was freut ihr euch besonders?
Nicola: Also, ich bin nach wie vor extrem überrascht, dass es überhaupt zehn Jahre geworden sind. Ich muss immer wieder kontrollieren, ob das auch wirklich stimmt. Die Zeit verging einfach unglaublich schnell. Freude macht’s aber immer noch, dass der Club so gut ankommt und wir die Leute im Club haben, die wir wollen. Schon lässig.
Anatol: Ich finde es auch sehr speziell, da wir nie mit einer solch langen Dauer gerechnet haben. Für einen Club sind zehn Jahre eine extrem lange Zeit und für viele Leute ist der Hive Club nach wie vor ein Highlight. Persönlich freue ich mich darauf, dass wir diverse Acts, mit denen uns lange Freundschaften verbinden, nächstes Wochenende einbinden können. Zum Beispiel Fritz Kalkbrenner, der wieder zu uns kommt, obwohl er inzwischen eigentlich zu gross ist für den Club. Ich möchte aber nicht nur ihn hervorheben. Nicht wenige der Acts sind über die Zeit gute Freunde geworden.
«Das Hive ist ein Spielplatz für Erwachsene mit guter elektronischer Musik.»
10 Jahre für ein Club ist eine verdammt lange Zeit. Könnt ihr euch noch an die Anfangstage erinnern?
Nicola: Nur noch sehr verschwommen, ist ja logisch wenn das Meiste in der Nacht geschieht (lacht). Manchmal sehe ich im Netz alte Fotos vom Hive und frage mich dann „Was? War das wirklich das Hive?“ Am Anfang war Vieles total improvisiert. Die Bar in der Tanzstube etwa musste vom Barkeeper festgehalten werden, damit sie nicht umfiel und der Boden wellte sich wegen den vielen tanzenden Leuten. Im Vergleich zu heute liegen da in Sachen Professionalität Welten dazwischen.
Anatol: Ich kann mich noch gut an die ersten paar Partys erinnern. Alles war mehr ein Gebastel. Wir machten alles selber, hängten irgendwelche Boxen an die Decke und kreierten alle Flyers selbst. Heute hat man für alles einen Profi und man merkt, dass man im internationalen Clubmarkt drin ist und damit gewisse Ansprüche erfüllen muss. Vor allem was die Technik anbelangt. Es ist und war aber beides lustig, heute wie früher.
Wie ist es überhaupt dazu gekommen, die Räumlichkeiten des ehemaligen «UG» ins «Hive» zu verwandeln? Was waren eure Beweggründe einen Club für elektronische Musik zu machen?
Nicola: Überhaupt die Möglichkeit dafür zu bekommen. Damals fragte mich Daniel Gasser, ob ich seine Anteile vom ehemaligen UG übernehmen möchte und so machte ich mich ans Konzept fürs Hive. Zu dieser Zeit gab es auch noch nicht so viele elektronische Clubs in Zürich.
Für was steht das «Hive», welche Philosophie verfolgt ihr?
Nicola: Hive steht nach wie vor für musikalische Qualität und dafür, viele Sachen auszuprobieren und keine Angst vor Neuem zu haben. Sowohl musikalisch als auch visuell. Dazu integrieren wir neu vermehrt live Visuals und Performancegeschichten. Auch das Essen der Gerold Chuchi mit ihrer kreativen Küche und hausgemachten Pasta passt perfekt zum Hive.
Anatol: Obwohl wir ein grosser sind und über die Zeit so ziemlich alles professionalisiert wurde, sind wir vom Look her immer noch ein alternativer Schuppen mit temporärem Charakter. Es soll nicht alles zu clean und zu durchgestylt sein, ein bisschen Freakness im Laden haben. Familiär mit persönlichem Touch und einzigartig in gewissen Aspekten. Was ich viel von anderen Leute höre: Das Hive ist ein Spielplatz für Erwachsene mit guter elektronischer Musik.
«Es gibt Stammgäste, die haben sich das Logo tätowiert.»
Elektronische Musik ist kommerzieller denn je und viele Veranstalter beklagen die explodierenden Gagen der Künstlerinnen und Künstler. Wie begegnet ihr diesem Thema?
Nicola: Man muss fast mitziehen, aber irgendwo haben wir unsere Grenzen. Es kann nicht sein, dass der Club voll ist und die gesamten Einnahmen für die Gagen draufgehen. Wir haben viele andere Kosten, die gedeckt werden müssen.
Anatol: Früher haben Festivals vorwiegend Bands gebucht, heute sind DJs oder Techno Live-Acts Headliner an solchen Festivals und erhalten sechsstellige Gagen. Darunter sind auch Künstler, die auch schon im Hive gespielt haben. Das ist schon extrem. Wir haben uns eine Grenze gesetzt, welche wir zahlen können. Da kann es auch manchmal sein, dass ein Act über diesen Betrag wächst und wir mit dem Leben müssen, dass er weiterzieht. Dafür sind wir auf der Suche nach dem nächsten spannenden Künstler, damit wir nicht immer die Acts buchen, welche sowieso schon hip sind.
Nicola: Zusammenfassend kann man sagen, dass früher gewisse Acts unterwegs waren, um ihre Musik verkaufen zu können. Heute produzieren sie Musik, damit sie Auftritte bekommen.
Wie hat sich euer Publikum in den Jahren verändert? Was möchte der heutige Clubgänger im Jahr 2016 erleben?
Nicola: Grundsätzlich haben wir immer noch die gleiche Art von Publikum wie früher und eine gute Mischung. Darum haben wir auch nicht nur eine einzige Szene im Hive. Nur das Alter hat sich irgendwie vier Mal geändert. Am Anfang hatten wir vor allem 25 jährige Gäste, die älter wurden. Dann wieder eine neue Generation an 25 Jährigen. Viele Leute in unserem Alter sagen, dass das Publikum jung geworden sei. Das stimmt aber gar nicht. Wir wurden einfach zehn Jahre älter, tanzen aber noch immer mit staunenden Augen durchs Leben.
Anatol: In erster Linie wollen wir, dass unser Publikum Spass hat, cool behandelt wird und einen lässigen Abend untereinander hat. Ich glaube, das wollen die Leute nach wie vor. Sie suchen einen ausgelassenen Abend und wollen ein wenig abtauchen.
Nicola: Für manche ist das Hive ein Stück Heimat, manchmal auch schon fast eine Religion. Es gibt Stammgäste, die haben sich das Logo tätowiert.
Das Hive steht immer wieder im medialen Fokus, weil ihr eine strenge Selektion an der Clubtür betreibt. Was sagt ihr dazu und welche Ziele verfolgt ihr mit eurer Gästeauswahl?
Anatol: Die Selektion ist mit Sicherheit die schwierigste Aufgabe für einen Club. Man kann eigentlich nur etwas falsch machen. Es hat noch nie jemand gesagt, dass der Selekteur einen guten Job gemacht hat, wenn er nicht reingekommen ist. Auch wenn es für den Rest der Leute, die sich im Club befinden, womöglich besser ist. Darum verstehe ich, dass es ein kontroverser Punkt ist. Ich finde es nicht schlimm, wenn das Thema ab und zu in den Medien auftaucht. Es zeigt, dass wir Gedanken über unseren Einlass machen und die Aufgabe tricky ist.
Nicola: Es ist zwar immer wieder die Selektion, die in Kritik gerät, aber schlussendlich sorgt sie dafür, dass wir diejenigen Leute im Club haben, welche wir auch wollen. Wer schon beim Anstehen aggressiv auftritt, macht erfahrungsgemäss mehr Zoff oder baggert die Frauen doof an. Eine angenehme, entspannte Atmosphäre ist uns sehr wichtig. Und genau das schätzt auch unser Stammpublikum.
Wie schafft ihr den Spagat zwischen Unternehmen und alternativen Club?
Anatol: Wenn man einen Betrieb hat, der langfristig existiert, macht uns kein Mitarbeiter einen Gefallen mehr und kommt gratis arbeiten. Auch ein DJ möchte sein Geld. Das ist wohl klar. Diese Kosten sind teils enorm und müssen gedeckt werden. Dazu kommen immer mehr Auflagen wie eine bessere Lüftung, Lärmschutzmassnahmen oder mehr Security. Leute, die sich darüber Gedanken machen, sehen das am Schluss. Bei uns hängt Eintrittspreis extrem vom jeweiligen Act ab. Mit den Eintrittsgeldern finanzieren wir die Gage. Ob man da den Look oder das Image eines alternativen und subkulturellen Club nach so langer Zeit aufrechterhalten kann, ist schwierig.
Nicola: Die Leute sollen sich wohl fühlen! Dann ist es total egal, ob es jetzt ein alternativer Club ist oder nicht. Jeder, der schon Mal in einer anderen Location war, weiss, dass das Hive kein Abzocker Club ist. Wo bekommt man sonst in Zürich noch ein Wasser für drei Franken?
«Ich werde bis heute gefragt, was ich unter der Woche mache.»
Wie viele Leute beschäftigt das «Hive»?
Anatol: Beim letzten Mitarbeiterfest haben wir so richtig gestaunt. Ich würde sagen so zwischen 80-100 Mitarbeiter. Darin zählen wir vom Putzpersonal über Barleute bis hin zum Booker und dem Garderobenpersonal alle, die im Club oder Restaurant involviert sind.
Nicola: Vollzeitstellen sind es garantiert über zehn. Ich denke, dass etwa 15 Leute von der Arbeit im Hive leben.
Kommen wir auf einen Punkt, welcher voll mit Mythen und Geschichten ist. Verdient ihr mit dem Hive richtig viel Geld?
Anatol: Wenn man einen Club hat, der läuft wie das Hive, kann man Geld verdienen. Ich glaube aber, dass die Leute unsere Einkünfte überschätzen und die Ausgaben nicht auf dem Schirm haben. Ich werde bis heute gefragt, was ich unter der Woche mache. Gewisse Leute haben immer noch das Gefühl, dass ein Club irgendwann von selbst zum Selbstläufer wird. Dem ist nicht so. Man muss extrem viel arbeiten und immer a jour bleiben, das generiert richtig hohe Kosten, die auch gedeckt werden müssen. Es gibt bestimmt einfachere Wege Geld zu verdienen.
Nicola: An dieser Stelle möchte ich auch Mal sagen, dass es durch Nachforderungen der SUISA Gebühren, grössere Umbauarbeiten und Personalwechsel letztes Jahr nur knapp aufging. Das Clubbusiness ist definitiv ein risikoreiches. Die Leute unterschätzen, wie hoch die Ausgaben sind. Jeder der schon einmal einen Event veranstaltet hat, merkt ziemlich schnell, was alles hinter einer Party steckt und nicht alles heiter Sonnenschein ist.
Euer Club hat in einer normalen Woche von Donnerstag bis Sonntag geöffnet. Was geschieht im Club, wenn dieser geschlossen ist?
Nicola: Also, ein Tag geht schon Mal für Meetings drauf. Dazu kommt, dass das Hive nicht nur Club, sondern auch Restaurant ist. Somit sind unsere Mitarbeiter vor allem damit beschäftigt Sachen ein- und auszuräumen. Dann sind zwei bis vier Leute ständig am Umbauen. Dort packen wir auch mal mit an, damit der Club bis Freitag wieder normal öffnen kann. Es soll immer wieder ein neues Erlebnis für den Besucher entstehen.
Anatol: Dazu kommen normale Betriebsaufgaben. Neue Getränke müssen bestellt werden, der Techniker muss das DJ-Pult überprüfen und diverse Sachen repariert werden. Jeder DJ muss gebucht, Flüge arrangiert und Flyer entworfen werden. Es gibt viel zu tun.
Die Geroldstrasse, an der sich das Hive befindet, ist sozusagen eine von Gentrifizierung verschonte Oase, inmitten des gehypten Züri-West. Wie sieht es bei euch in Sachen Mietvertrag aus und müsst ihr jedes Mal um eine Verlängerung bangen?
Nicola: Unterdessen ist es die Stadt Zürich, welche uns die Liegenschaft vermietet. Ursprünglich wollte man ja hier das neue Kongresshaus bauen, was aber daran gescheitert ist, weil die Stadt den mittleren Teil des Geroldstrassenareals nicht kaufen konnte. Grundsätzlich haben wir einen Halbjahresvertrag, können jetzt aber bis gebaut wird in der jetzigen Location bleiben. Wir rechnen mit sicher noch drei Jahren. Das kann sich aber auch weiter nach hinten verschieben.
Anatol: Die Zeit spielt uns sicher in die Hände. Je länger es so bleibt wie jetzt und jede noch so kleine Nische von einem spannenden Projekt besetzt wird, desto weniger kann man auf die Geroldstrasse verzichten. Zumal jede Schweiz- und Zürich-Tourismus Broschüre mit diesem Ort wirbt.
Was bietet das Hive neben Clubnächten sonst so? Was wird eurer Meinung nach unterschätzt?
Nicola: Neben Parties bietet das Hive auch kulturelle Anlässe wie Lesungen, Hörspiel-Abende, Kunstausstellungen, Jazz-Konzerte oder auch mal ein Theater – und natürlich im Winter unsere legendären Spieleabende. Obwohl all diese Veranstaltungen auf der Webseite oder im Newsletter publik sind, haben erstaunlich viele Leute immer noch nie von all dem gehört. Tatsache ist aber: Auch wenn alle Leute Lesungen „mega läss“ finden, lassen sich die Gäste manchmal an einer Hand abzählen. Bei Konzerten ist es ein bisschen besser, aber auch das bleibt eine querfinanzierte Liebhaberei. Weniger aufwendig ist da der Spieleabend. Das finde ich zum Beispiel eine extrem schöne Geschichte. Ausstellungen haben wir zurzeit keine mehr, aber wenn sich da jemand finden würde, der die Organisation übernimmt, würden wir das gerne unterstützen.
Anatol: Die Experimentierfreudigkeit ist in den Köpfen der Gäste zwar da, aber in den Taten nicht. Alle finden es immer cool, wenn etwas Spezielles gemacht wird, doch kommen tut niemand (lacht).
«Das Hive soll lebendig bleiben und immer wieder neue Blüten der Nacht treiben dürfen.»
Werfen wir einen Blick zurück. Was waren eure ganz persönlichen Highlights in den letzten 10 Jahren? Welche Acts und Events blieben euch besonders gut in Erinnerung?
Nicola: Eigentlich müssten jetzt wahrscheinlich jeder von uns drei Stunden erzählen, weil es so viele Highlights gab. Für mich als gelernter Gärtner ist die jährliche Blumenparty natürlich sehr cool, wenn der ganze Club plötzlich ein üppiger Dschungel wird. Zudem finde ich es schön, wenn Schwule einen Platz haben, um gemeinsam zu feiern. Der Silvester ist auch immer sehr speziell, weil wir oft mit einem Motto arbeiten und der Club mit einem rein lokalen Line-Up jedes Mal fast aus den Nähten platzt. Das unterstreicht auch die hohe Qualität der hiesigen Musikszene.
Anatol: Einzelne Acts hervorzuheben, ist extrem schwierig. Es gibt aber immer wieder solche Momente, in denen die Stimmung überkocht. Diese passieren oft im oberen Floor am frühen Morgen. Für mich ist Trentemøller ein Highlight, weil er nicht in dem ganzen Technokuchen drin ist und einfach seine Sachen spielt. Zudem ist mir Justice gut in der Erinnerung geblieben. Als wir sie buchten, musste ihr Gig immer wieder verschoben werden, bis sie endlich bei uns spielten und zu dieser Zeit eigentlich zehn Mal zu gross fürs Hive waren. Der Club platzte aus allen Nähten und sie spielten so laut, dass die Monitorboxen kaputt gingen (lacht).
Nicola: Ein Event ist mir noch in den Sinn gekommen und zwar einer, der eigentlich überhaupt nicht lief. Das war eine unserer ersten Grundton Partys im Hive. An diesem Wochenende hatte es so viel Schnee, dass sich kaum ein Mensch auf die Strassen wagte. Umso ausgelassener war die Party drinnen.
Und was habt ihr mit dem Hive sonst noch so vor?
Nicola: Das Hive soll lebendig bleiben und immer wieder neue Blüten der Nacht treiben dürfen. Also geben wir uns weiterhin Mühe, uns immer wieder neu zu erfinden und Momente zu schaffen, die unser Publikum überraschen und inspirieren.
Anatol: Grössere Umbauten haben wir gemacht. Jetzt freuen wir uns an den kleinen Details zu arbeiten. Wir haben viele Ideen, darauf freue ich mich.
Vielen Dank an Anatol und Nicola!
Photocredit: Titelbild von offizieller Facebook-Seite vom Hive (Postkarten)
Bilder im Artikel: hiveclub.ch, Facebook-Seite vom Hive (Postkarten)