Ich treffe Sandro Bohnenblust in seinem Büro an der Geroldstrasse im Zürcher Kreis 5. Hier trifft Arbeitsplatz auf Musikstudio und Mensch auf Leidenschaft. Was eigentlich ein Interview über das «Supi» nach dem Umbau im vergangenen Jahr werden soll, wird zu einem inspirierenden und aufschlussreichen Gespräch über Clubbing, Soundästhetik und Konsistenz im Nachtleben. Einen Ausschnitt davon.
Tradition und Beständigkeit haben dann Sinn, wenn sie als kreativer Aneignungsprozess aufgefasst werden. So zumindest erkläre ich mir den Erfolg, den das traditionsreiche Supermarket seit mehr als 20 Jahren verzeichnet. In dieser Annahme bestätigt mich Sandro Bohnenblust, Geschäftsführer des Clubs, an diesem Montagnachmittag schon nach dem ersten Kaffee. Denn das von den Gründerväter Laurent Herzog und Jean-Pierre Grätzer geprägte Verständnis für die Musik und den Club ist noch heute oberstes Credo und wird auch von Bohnenblust protegiert weitergetragen.
„Wir wollen unseren Gästen ein Erlebnis bieten, ein musikalisches Erlebnis“, erklärt Bohnenblust. Deshalb konzentriere man sich an der Geroldstrasse nicht auf die 90 Prozent der Clubber, die nur des Feiern wegen ausgehen, sondern auf die 10 Prozent, die der Musik wegen ausgehen. Nicht, dass der eine Fokus den anderen degradiere. Es brauche beides und noch vielmehr brauche es das Supi für genau diese 10 Prozent, damit auch die Feinschmecker auf ihre Kosten kämen, so Bohnenblust. Diese Rechnung geht auf, denn: Die elektronische Musik ist heute umschwärmter denn je und nur weil sie gefragt ist, heisst das noch lange nicht, dass sich auch jeder Partygänger dezidiert mit ihr auseinandersetzt. Und so will Bohnenblust mit dem Supi eben diese Gruppe bedienen, mit ausgewähltem Sound und hochwertiger Qualität.
„Du hast zwei Optionen: Du kannst Dich entweder mit den 90 Prozent der Clubber befassen – oder mit den übrigen 10 Prozent.“
Die astreine Qualität und piekfeine Soundästhetik findet Bohnenblust im Osten. Es fällt ins Auge, dass in seinen Bookings immer wieder die gleichen Namen – vor allem aus Rumänien – auftauchen. Diese Wiederholungstaten beschäftigen mich, denn nur die Vorliebe für den ausgeklügelten minimalistischen Sound kann es nicht sein. Bohnenblust’s Antwort unterstreicht einmal mehr die 90:10-Rechnung: „Ich möchte Teil der musikalischen Entwicklung eines Künstlers sein oder diesen Prozess zumindest verstehen. Und wenn ich mich mit einem Künstler nicht intensiv auseinandersetze und ihn nur einmal buche, dann bin ich das schlicht und einfach nicht.“ Und wie es scheint, wird dieser Anspruch an den Künstler und dessen Musik im Osten Europas erfüllt.
Nicht selten pflege er enge Freundschaften zu den Artists, tausche nebst der Musik Alltägliches aus. Und wenn es dann nebst dem Zwischenmenschlichen ums Booking gehe, dann könne es schon mal einige Stunden dauern, bis die Playtimes stehen. „Wir können Tage damit verbringen uns den Kopf darüber zu zerbrechen, wer zu welcher Zeit spielt. Ein Set vergleiche ich immer mit einem grossen Track. Die Party hat einen Anfang und ein Ende und diese gilt es, zu definieren.“ Wild durcheinander würfeln könne man das nicht, so Bohnenblust. Hinzu käme der Fakt, dass sich ein Künstler in wenigen Monaten musikalisch komplett neu ausrichten könne. Und diesen Wandel verfolgt Bohnenblust pathetisch: „Es ist doch das Spannendste, wenn Du eine solche Reise mitverfolgen kannst, im Idealfall Teil davon bist und ihr dann gleichzeitig noch eine Plattform geben kannst.“
Die Plattform liefert Bohnenblust mit dem Supi. Keine Plattform im Sinne eines Sprungbretts, vielmehr einen beständigen Rahmen für ein musikalisches Experiment. Dieser Rahmen lässt sich beliebig drehen, in Form und Material verändern. Mittendrin der Künstler, der das System bespielt. Letzteres sei nämlich nur so gut, wie derjenige der es bespiele.
„Letzen Endes ist das System nur so gut, wie derjenige, der es bespielt“.
„Das Clubbing ist längst gesellschaftlich anerkannt“. Oft vergleiche es Bohnenblust sogar mit dem Einkaufen im Supermark(e)t. Man entscheide innerhalb eines vielfältigen Angebots, was man kauft und was eben nicht. Und wenn es etwas noch nicht gibt? „Dann macht man es eben selbst und trägt so zur Vielfalt bei.“
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Bilder: zvg. Supermarket Club