Vom Nachtleben zum Nichtleben
Vor knapp zwei Wochen bin ich noch feiern gegangen. Ich habe Raves veranstaltet und regelmässig aufgelegt. Bin durch Szene-Bars getingelt und habe mit meinen Leuten das kulturelle Leben meiner wunderbar pulsierenden Stadt genossen. Klar, da war diese mühsame Pandemie. Und im Osten brodelte es. Aber ich freute mich, ein völlig normales und gutes Leben in diesem demokratischen Land zu führen. So wie es die Leute in Paris, Berlin, London oder Zürich tun. Ich lebe aber in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Und über Nacht bricht der Krieg über mich und mein Leben herein.
So in etwa schildert sich den bei uns lebenden Menschen die Situation von Freund*innen aus dem Nachtleben Kiew und anderer Städte in der Ukraine. Sie führten ein Leben, das sehr dem unseren glich. Mit weniger politischer Stabilität, aber umso mehr gesellschaftlicher und kultureller Aufbruchstimmung als bei uns. Wie hier waren die sozialen Medien voll von Stories über anstehende Veranstaltungen, lange Partynächte, soziales Engagement und die Leichtigkeit des Lebens. Völlig unerwartet sind dieser Erzählungen aus dem ganz normalen Leben in einer aufgeschlossenen Gesellschaft über Nacht verpufft. Ersetzt durch die knallharte und direkte Kriegsberichterstattung über zerstörte Häuser, zerstörte Träume und zerstörte Leben. Eine Kehrtwende der Realität und darin erwachsenen Perspektiven um 180 Grad.
Unmittelbare Nähe
Bis vor kurzem war das Leben vieler Menschen in der Ukraine dem unseren sehr ähnlich und nah. Nun könnte ihr Leben dem unseren hingegen unähnlicher kaum mehr sein. Was dort gerade passiert ist uns aber nicht nur emotional, sondern auch regional sehr nah. Das Kriegsgebiet ist uns geografisch näher gelegen als Spaniens Hauptstadt Madrid. Man braucht von der Schweiz aus nur zwei Länder zu durchqueren und man befindet sich im Krieg. Und man braucht nur ein Land zu durchqueren, um vom Kriegsgebiet in den deutschsprachigen Raum zu gelangen. Genau so, wie Gesellschaft, Kultur und somit auch die Menschen in vielen Teilen der Ukraine uns sehr nahe sind, so ist es erschreckenderweise auch dieser Krieg.
In vielen Teilen der Ukraine hat sich in den letzten Jahren eine Kultur der gesellschaftlichen Öffnung, Toleranz und Vielseitigkeit entwickelt. Insbesondere Kiew ist zu einem kulturellen Schmelztiegel mit Raum für Toleranz, Entfaltung und Safe Spaces geworden, in welchem auch das florierende Nachtleben als treibender Motor eine wichtige Rolle spielt.
Deshalb möchten wir uns als Vertreter*innen des hiesigen Nachtlebens solidarisch zeigen. Wir möchte dazu beitragen, dass die kulturellen und gesellschaftlichen Errungenschaften nicht durch diesen grausamen und unnötigen Krieg zerstört werden. Die vielen betroffenen Menschen sollen möglichst bald wieder in das uns so nahe Leben zurückkehren können, aus dem sie so jäh herausgerissen wurden.
Wie kann ich helfen?
- Teile diesen Aufruf auf deinen Club-, Label-, DJ- oder Nachtschwärmer:innen-Kanälen.
- Steuere selbst einen Beitrag zur Hilfe von Freunden für Freunde bei.
Das Ziel ist es, mit den Spenden benötigte Hilfsgüter direkt vor Ort zu beschaffen und damit Flüchtlinge zu versorgen. Wir wollen jenen Flüchtlingen helfen, die es über die Grenze geschafft haben oder noch im Transit feststecken. Des Weiteren werden Hilfsgüter über entsprechend aufgebaute Netzwerke direkt in nahe Grenzregionen der Ukraine hinein geliefert werden. Koordiniert wird die Hilfe vor Ort durch den ehemaligen Mitarbeiter des Klaus Erik „Pelle“ Tranberg, der sich seit Jahren der humanitären Hilfe verschrieben hat und bereits während der Flüchtlingskrisen in Griechenland und im Irak tatkräftig vor Ort diverse Einsätze leitete. Er wird mit seiner privat organisierten und selbstfinanzierten Crew am 5. März an der Grenze zwischen Rumänien und der Ukraine eintreffen und die vorerst für einen Monat geplante Arbeit aufnehmen.
Die Spenden können entweder direkt an Erik übermittelt und so ein unkomplizierter und niederschwelliger Einsatz der Gelder über aufgebaute Netzwerke ermöglicht werden oder an Refugee Support Europe gespendet werden, mit welcher vor Ort eine enge Zusammenarbeit für die Verwendung der Gelder ausgehandelt wurde. In beiden Fällen sind die Ausgaben transparent dokumentiert und kommen ausschliesslich für humanitäre Zwecke zum Einsatz. Nichts davon soll in Kriegsmaterial jeglicher Art investiert werden. Um das sicherzustellen war es uns wichtig, die Gelder und deren Koordination über eine private Person vor Ort zu leiten, der wir persönlich vertrauen. Die Zahlungsplattform wird von Unsere Beweggründe zur Verfügung gestellt.
Ihr könnt Erik und seiner Crew unter auf Instagram folgen und den Fortschritt seiner Arbeit direkt verfolgen.
Ermöglicht wurde die Spendenaktion #nachtfürleben von Klaus, Unsere Beweggründe, Darrien und nicht zuletzt durch den Einsatz von Erik Tranberg. Ausserdem schon von Anfang an mit viel Unterstützung dabei: Along With, Frieda’s Büxe, Bagatelle, MadKatz, RUND, Variété und Zukunft.
Die zusammenfassende Kampagnen-Information kann hier als PDF heruntergeladen werden. Falls ihr weitere Informationen oder zukünftige Updates erhalten wollt, meldet euch direkt bei Darrien.
Über den Autor
Darrien ist seit über 20 Jahren als Techno-Evangelist, DJ und Veranstalter im Zürcher Nachtleben unterwegs. Vielen ist er aber auch bekannt durch seinen lautstarken und tatkräftigen Einsatz für gesellschaftspolitische Themen in Social Media und darüber hinaus. In der neue geschaffenen Kategorie Siedepunkt kommentiert er das aktuelle Weltgeschehen mit Bezug aufs Nachtleben und darüber hinaus.