Ein intensives und spannendes 2022 neigt sich dem Ende zu. Die vergangenen zwölf Monate hatten es in sich: Ein gedämpfter Jahresstart, ein fulminanter Festival-Sommer und allerhand spannende Clubnächte nach einer wohlverdienten Sommerpause. Auch musikalisch ging einiges. Wir haben einen Blick zurückgeworfen.
Die Zeit um den Jahreswechsel hat so ihre Eigenheiten: Manche von uns nehmen sich fest vor, in den letzten Wochen des Jahres endlich alles ruhiger anzugehen, um dann mit Schrecken festzustellen, dass es eben doch nicht gelingt. So kommt es jeweils mehr als willkommen, wenn die eine oder andere Clubnacht verlockend dazu einlädt, einen kurzen Abtaucher vom Alltag zu wagen und den Vorweihnachtsstress auf der Tanzfläche abzuschütteln. Die Auswahl an spannenden Clubnächten war in diesem Jahr besonders gross – gerade die letzten Wochen punkteten mit abwechslungsreichen Line-Ups à gogo. Doch fangen wir von vorne an:
Noch vor rund einem Jahr, zum Jahreswechsel 2021 auf 2022, sah das ganze nämlich noch nicht so rosig aus. Wir feierten den Silvester in den Clubs noch mit Corona-Massnahmen und unklar war, ob man mit den damaligen Massnahmen noch um Schliessungen herumkommen würde. Die Statements der Clubs liessen nicht viel Zuversicht zu – so liessen mancherorts die Programme auf sich warten. Doch die Zuversicht wurde belohnt, und die Katerstimmung in der Kulturlandschaft liess langsam nach – der Weg zurück in die Normalität würde aber noch Zeit benötigen.
So startete das Jahr 2022 eher verhalten, bevor es im Frühling mit spannenden Clubnächten und den ersten Ankündigungen von Festivals wieder bergauf ging. In unserer Übersicht des Festival-Sommers 2022 fanden Sommer-Liebhaber*innen bereits früh Previews zu den anstehenden Daytimer und Festivals in den wärmeren Monaten des Jahres. Eine lange Liste, die vom Hive Air über das Grillentanz Festival in Arbon, bis hin zum Scheps Dayrave auf dem Uto Staffel reichte. Der bevorstehende Outdoor- und Festivalsommer liess die Vorfreude ins Unermessliche steigen.
Anfang Juni gastierte in der Roten Rabrik auch in diesem Jahr das Rhizom Festival. Ein interdisziplinäres Festival, das sich alternativer elektronischer Musik und Kunst widmet. Mitte Juni kehrte der grösste queere Anlass der Schweiz nach drei Jahren auf das Kaserneareal zurück – die Zurich Pride. Unter dem Motto «Trans – Vielfalt leben», wurde der Fokus auf die rechtliche Situation und die Herausforderungen von trans Menschen gelegt.
Ende Juni zog es den Kauz Club erneut in den Senkgarten des Museums für Gestaltung, wo die beliebte Kauz-Sommerbar eröffnet wurde und während Alex Dallas und Ron Shiller mit Drumpoet eine grosse Jubiläumssause feierten, fand mit Sonic Topologies ein Festival in Zürich statt, welches die Klänge verschiedener Orte in der Stadt entfaltete.
Im Juli durften wir uns nebst der grossen Vorfreude auf die Street Parade mit den Macher*innen der Lethargy über die bevorstehende Ausgabe austauschen – ein Gespräch über Narrenfreiheit und Beständigkeit. Anfangs August feierte das SMEM (Swiss Museum & Center for Electronic Music) in Fribourg sein 5-jähriges Bestehen mit einer Ausstellung, Konzerten, Workshops, Talks, Recording Sessions und einer grossen Afterparty. Kurz darauf eröffnete auch Rundfunk im Zürcher Landesmuseum für mehrere Wochen wieder seine Tore.
Nach dem berüchtigten GDS-Dachterassenday im August, einer tollen Street Parade fulminanter Blockpartys im Hinterhof der Zukunft, der Eröffnung eines neuen Plattenladens in St. Gallen und einer gelungenen zweiten Ausgabe des Hive Factory Festivals Mitte September, konnten sich die meisten Clubs bereits wieder auf ihre Openings nach den grossen Sommerpausen vorbereiten.
Den Start in den Spätsommer wagte der Supermarket Club an der Geroldstrasse mit der grossen 24-Jahr-Geburtstagssause und das Radar Festival feierte im Zürcher Langstrassenquartier mit allerhand guter Musik seine bereits vierte Ausgabe. Da Vorfreude bekanntlich die schönste Freude ist, gaben die Macher*innen des Polaris Festivals in Verbier noch im selben Monat das Programm für die bevorstehende Ausgabe im November bekannt. Ende September gab Zürich’s Vorzeige-Plattenladen Sihl Records seinen Umzug an die Kalkbreitestrasse 33 – an eine neue und grössere Location – bekannt. Einen Abschluss fand der Spätsommer mit der diesjährigen Ausgabe von tonhalleLATE mit Ripperton.
Ein Dämpfer folgte Anfang Oktober, denn der Legram VG: Recordstore teilte seine Schliessung mit und startet umgehend ein Crowdfunding für die Sicherstellung des Verbleibs des Plattenladens. Erfreulicher war der Umstand, dass der EXIL Club zu Beginn des Monats sein 13-jähriges Bestehen an der Hardstrasse 245 feiern konnte. Auf allerhand spannende Clubnächte folgte Mitte Oktober der langersehnte Teil 2 von Kalabrese’s Doppelalbum «Let Love Rumpel Part 2». Wir berichteten über den (S)charlaten (Restodisco), der im Sommer in der Stadt eröffnete und sich zur der wohl spannendsten Adressen der Stadt Zürich mauserte, weil er Kulinarik und seinen Bezug zur elektronischen Clubmusik charmant verbindet.
Anlässlich unserer Serie ‘Club des Monats’ warfen wir einen Blick hinter die Kulissen und haben mit denjenigen Menschen gesprochen, die im Hintergrund agieren und Wochenende für Wochenende dafür sorgen, dass der Clubbetrieb piekfein über die Bühne geht. Ebenfalls im Oktober erschien die Doku-Reihe über Frauen in der elektronischen Musik «Call Me DJ» von Rosanna Grüter und der Kauz feierte seinen 9. Geburtstag.
Anfang November fand dann in Zürich erstmals die «NIGHTS» statt – die wichtigste internationale Konferenz zu urbaner Freizeit-, Nacht- und Clubkultur. Nebst spannende Releases wurde die Kampagne für mehr Diversität und gegen Rassismus in der Kulturbranche ins Leben gerufen, die von verschiedenen Menschen und Aktivist*innen getragen wird, die sich vereint haben, um auf der Tanzfläche politisch zu werden. Das feministische Kollektiv F96 lancierte die Kampagne mit «Radical Wellness»-Party im Kauz.
Während das interdisziplinäre Backslash Festival nach zweijähriger Pause in die Gessnerallee zurückkehrte, eröffnete auch Sihl Records endlich wieder seine Tore und das SMEM in Fribourg produzierte eine spannende Serie über das elektronische Musikschaffen in der Schweiz. Ebenfalls im November fand das ZW-1 Festival anlässlich des einjährigen Bestehens der Zentralwäscherei statt.
Bereits kündigten die ersten Grossveranstalter*innen wie Sauvage ihre Neujahres-Sausen an und Rundfunk.FM teilte die Übernahme des ehemaligen Roland Kinos mit einem «AfterWorkDancing»-PopUp-Club mit. In Altstetten lüftete man das Geheimnis der neuen Veranstaltungslocation Zinkbad, dass noch am 23. und 25. Dezember 2022 seine Eröffnung mit dem Zürcher Label Adroit feiert.
Anfang Dezember eröffnete im Zürcher Langstrassenquartier die Stereo Bar – eine schmucke Location, die sich – wie es der Name bereits sagt – einem qualitativ hochwertigen Bar- und Musikerlebnis verschrieben hat. Apropos Musik: Was die UBWG-Redaktion im 2022 musikalisch bewegt hat, erfährst Du hier: Die Lieblinge der Redaktion. Alle Premieren, Reviews, Podcasts und Playlists gibt es hier.
Bis die letzten Stunden des Jahres gezählt sind, schwelgen wir also noch etwas in Erinnerung. Auf ein neues erfolgreiches und tanzsfreudiges 2023!
*Anmerkung der Redaktion: Aufzählungen der Events sind nicht vollständig
Bilder im Beitrag: zvg. UBWG, Terrazzza, Schampar Scheps, Rundfunk.FM, Hive fliegt aus, Zinkbad (Adroit)